von Kathrin Nehm und Tim Fischer, April 2006
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In Falling Down (1993) ist es laut Untertitel auf dem Filmplakat „Ein ganz normaler Tag.“ für Michael Douglas alias William Foster. Lässt man aus seinem eigenen Leben nun einen solchen ganz normalen Tag einmal Revue passieren, so stellt man mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit fest, dass einem in den unterschiedlichsten Situationen und Medien – sei es bei Gesprächen mit Freunden, in der Zeitung, im Internet, im Radio, im Fernsehen oder eben in Spielfilmen und auf Filmplakaten – Ausdrücke wie die folgenden begegnet sind:
Alle hier genannten Ausdrücke weisen zwei Gemeinsamkeiten auf: Zum einen bestehen sie aus mindestens zwei Wörtern, und zum anderen sind sie „uns als Deutschsprechenden genau in dieser Kombination (eventuell mit Varianten) bekannt“ (Burger 2003: 11). Ausdrücke, die diese beiden Eigenschaften aufweisen, bezeichnet man als Phraseologismen und ihre lexikalischen Bestandteile als Komponenten. Sowohl für die „sprachwissenschaftliche Teildisziplin, die sich mit der Erforschung der Phraseologismen beschäftigt“, als auch für den „Bestand (Inventar) von Phraseologismen in einer bestimmten Einzelsprache“ (Fleischer 1997: 3) wird der Begriff „Phraseologie“ verwendet.
Äquivalente Ausdrücke zu „Phraseologismus“ sind feste Wortverbindung oder auch phraseologische Wortverbindung. Der Gegenbegriff dazu ist freie Wortverbindung (vgl. Burger 2003: 12).
Neben den eben genannten Gemeinsamkeiten weisen einige der hier aufgeführten Phraseologismen zusätzlich noch einen wesentlichen Unterschied in Bezug auf die übrigen Ausdrücke auf: In manchen Fällen können die Wortverbindungen nämlich nicht in der wörtlichen, sondern nur in ihrer übertragenen bzw. phraseologischen Bedeutung verstanden werden (wie beispielsweise im Fall von den "Stein ins Rollen bringen). Da diese Eigenschaft der Idiomatizität zwar auf viele feste Wortverbindungen zutrifft, jedoch für einen Ausdruck kein notwendiges Kriterium darstellt, um als Phraseologismus zu gelten, lässt sich der Gesamtbereich der Phraseologie in die Phraseologie im weiteren Sinne und die Phraseologie im engeren Sinne unterteilen (vgl. ebd.: 14 f.):
Kriterien für einen Phraseologismus im weiteren Sinne:
weiteres Kriterium für einen Phraseologismus im engeren Sinne:
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„Phraseologismen können [also] idiomatischen Charakters sein, müssen es aber nicht“ (Fleischer 1997: 4).
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1983 |
1999 |
2002 |
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In diesem Kapitel soll anhand der Vorspanntexte der Star Wars-Filme kurz die Basisklassifikation von Phraseologismen nach BURGER (2003) verdeutlicht werden. Die folgende Abbildung zeigt zunächst den Schriftzug, der erstmals 1977 zu Beginn von Episode IV – Eine neue Hoffnung zu sehen war, und der bis hin zu Episode III – Die Rache der Sith (2005) auch alle weiteren Teile der Star Wars-Reihe einleitete:
Die Wortfolge „Es war einmal vor langer Zeit“ ist die traditionelle Routineformel, mit der die Erzählung eines Märchens eingeleitet wird. Nach BURGER (2003: 36 f.) werden solche Routineformeln als kommunikative bzw. pragmatische Phraseologismen bezeichnet. Durch die Verwendung des Phraseologismus „Es war einmal vor langer Zeit“ wird also eine kommunikative Handlung vollzogen, da dem Zuschauer mittels dieser festen Wortverbindung verdeutlicht wird, dass gleich so etwas wie eine Märchenerzählung auf ihn zukommt. Die so erzeugte Erwartungshaltung wird dann in den Filmen schließlich auch erfüllt, denn angefangen bei Episode IV – Eine neue Hoffnung (1977) erstrecken sich zahlreiche typische Märchenelemente über die gesamte Star Wars-Reihe hinweg: es gibt Darth Vader, den Dunklen Ritter, Prinzessin Leia, Obi-Wan Kenobi, der den klassischen Zauberer mit übernatürlichen Kräften symbolisiert, Königin Amidala, Jar Jar Binks, der in gewisser Weise als eine Art Hofnarr angesehen werden kann, die Schwertduelle und vieles andere mehr.
Da der Schriftzug „Es war einmal vor langer Zeit in einer weit, weit entfernten Galaxis....“ in genau dieser Form vor jedem der sechs Star Wars-Teile zu sehen ist, stellt er als Ganzes natürlich auch einen Phraseologismus dar. Während also „Es war einmal vor langer Zeit“ generell den Anfang einer Märchenerzählung einleitet, so markiert der erweiterte Phraseologimus „Es war einmal vor langer Zeit in einer weit, weit entfernten Galaxis....“ speziell den Beginn eines Star Wars-Films.
Bevor nach diesem Schriftzug die eigentliche Handlung einsetzt, beginnt jeder Teil von Star Wars zusätzlich mit den charakteristischen, schräg nach hinten verlaufenden Vorspanntexten, in denen kurz der für das Verständnis des Films benötigte Kontext umrissen wird. Die folgenden Beispiele sind jeweils einem dieser Texte entnommen:
Sämtliche in den Beispielen kursiv markierten festen Wortverbindungen gehören zur Klasse der so genannten referentiellen Phraseologismen, da sie sich alle auf etwas Bestimmtes beziehen, nämlich „auf Objekte, Vorgänge oder Sachverhalte der Wirklichkeit (sei es der 'wirklichen Welt‘ oder fiktiver Welten)“ (ebd.: 36). Innerhalb dieser referentiellen Phraseologismen wird nach dem semantischen Kriterium, ob die Wortverbindungen Objekte und Vorgänge bezeichnen (wie beispielsweise Kette von Ereignissen) oder ob sie als Aussagen über Objekte und Vorgänge fungieren (wie etwa das sichere Ende naht), zwischen nominativen und propositionalen Phraseologismen unterschieden (vgl. ebd.: 37). Außerdem kann nach syntaktischen Gesichtspunkten noch eine Unterteilung in lediglich satzgliedwertige und voll satzwertige Phraseologismen vorgenommen werden.
Über die Phraseologismen aus den Star Wars-Vorspanntexten kann nun also Folgendes festgehalten werden:
Kette von Ereignissen
Frieden und Ordnung aufrecht erhalten
Helden auf beiden Seiten
in Besitz bringen
kreuz und quer
naht das sichere Ende
Neben den kommunikativen und referentiellen Phraseologismen unterscheidet Burger (2003) zusätzlich noch die strukturellen Phraseologismen. „Sie haben 'nur‘ eine Funktion innerhalb der Sprache, nämlich die Funktion, (grammatische) Relationen herzustellen“ (ebd.: 36). Ein Beispiele hierfür ist etwa "in Bezug auf".
Nach dem Kriterium der Zeichenfunktion, die die Phraseologismen in der Kommunikation haben, ergibt sich nun also die in der nebenstehenden Grafik dargestellte Gliederung des Gesamtbereichs der Phraseologie. (Burger 2003: 37).